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AMORC Magazin 04|2015

30 man vor kurzem auf ein Tor, das als „Essener-Tor“ oder „Essener-Pforte“ bekannt war. Die Essener lebten nicht gern in den Städ- ten und gründeten daher für sich kleine Ortschaften außerhalb der Mauern oder der Grenze der Stadt, in der sie zu wirken pflegten. Jedes Mitglied hatte sein eige- nes kleines Haus mit einem Garten. Die Unverheirateten lebten in einem Gemein- schaftshaus. Es war den Essenern nicht verboten zu heiraten, wie man allgemein annahm, aber ihre Anschauungen über die Ehe waren sehr ideal. Nur jene, die einander wirkliche Freundschaft und aufrichtige Liebe entgegenbrachten, durften mit der Billigung der höheren Ordensbrüder heiraten. Frauen konnten außerordentliche Mitglie- der der Bruderschaft werden, jedoch nur wenige durften an den Studien der hohen Grade teilnehmen; nicht etwa, weil die Es- sener glaubten, die Frau sei dem Manne in religiösen oder geistigen Fähigkeiten untergeordnet, sondern weil dieser Zweig der „Großen Bruderschaft“ im Prinzip eine Organisation von Männern war, die die Ar- beiten in der ganzen Gemeinde verrichteten. Die Schwestern, Mütter und Töchter der Männer in der Essener-Bruderschaft wirkten in der Gemeinde mit. Die nicht verheirateten Frauen und solche, die nicht heiraten woll- ten, adoptierten sehr häufig Waisenkinder, pflegten sie, als wären es ihre eigenen und vertraten auf diese Art humanitäre Belange der Vereinigung. In ihrem Privatleben finden wir keine Die- nerschaft, denn dies galt als ungesetzlich. Jeder Haushalt musste von den jeweiligen Familienmitgliedern selbst versorgt werden. Einige Regeln und Anordnungen, wie wir sie in den überlieferten Rosenkreuzer-Urkunden finden, zeigen uns, dass ihre Anschauungen über Diener und Dienerschaft mit unseren modernen Ansichten übereinstimmen. Wir müssen bedenken, dass in den Tagen, da diese Vorschrift eingeführt wurde, die meis- ten Diener in wohlhabenden Häusern, bei Königen und Machthabern wie Sklaven ge- halten wurden. Bei den Essenern dagegen waren Männer und Frauen absolut frei und Sklaverei und Leibeigenschaft aller Art war streng verboten. In der Gemeinde nahmen alle an dem Gemeinschaftswerk teil, und alle hatten von Zeit zu Zeit Gesindearbeit zu verrichten. Die Neuaufgenommenen hatten auf den Feldern zu arbeiten, mitunter auch bei Mahlzeiten der Gemeinschaft oder in Obdachlosenasylen bei Tisch zu bedienen. Wie viele andere Zweige der „Großen Weißen Bruderschaft“ willigten auch die Essener niemals in einen Vertrag oder ein Abkommen ein, mit dem man durch einen Eid oder eine Urkunde gebunden war. Man wusste allgemein, dass ihr Wort keines besonderen Abkommens und keines schrift- lichen Vertrages bedurfte. Sie hatten für ihr Leben bestimmte Gesetze und Vorschriften, die denjenigen, die mit ihnen in Berührung kamen, wohl bekannt waren. Auch die Machthaber des Landes wussten, dass die Essener nicht zur Abgabe eines Eides zu bewegen waren, aber stets die volle Ver- antwortung für ihr Wort oder Versprechen trugen. Auch Josephus gab in seiner Schrift über die Essener um 146 v.Chr. an, dass die- selben von dem Zwang zum Untertaneneid durch Herodes befreit waren. Unter keinen Umständen gaben sie ein Versprechen oder schworen irgendetwas im Namen Gottes, denn bei ihnen wie beim jüdischen Volk, das diese Regel von ihnen annahm, wurde der Name Gottes nur in heiliger Weise in den Tempeln genannt und durfte sonst niemals ausgesprochen werden. Bei Meinungsver- schiedenheiten mit Fremden hätten die Essener alles aufgeboten und lieber jedes Opfer gebracht, als zu streiten oder Span- nungen hervorzurufen. Aus diesem Grunde waren die Essener bei den Pharisäern und anderen religiösen Gemeinschaften in Paläs- tina beliebt, obgleich diese deren religiöse Bräuche heftig kritisierten. Um die damalige Art des Eides zu kennzeichnen, sei der von den Initianden abzulegende offizielle Eid, der einzige, der von den Essenern geleistet wurde, hier angeführt. Sie schworen beim Eintritt in den entscheidenden vierten Grad der Einweihung, auf ihre Ehre folgenden Eid: „Ich verspreche hiermit im Beisein mei- ner Ältesten und der Brüder des Ordens, immer demütig vor Gott und gerecht zu meinen Mitmenschen zu sein, keinem Geschöpf aus eigenem Willen oder auf Befehl anderer ein Leid zuzufügen, Got- teslästerung immer zu verabscheuen und Recht und Gerechtigkeit zu unter- stützen, allen Menschen Treue zu be- zeugen, ganz besonders meinen Vorge- setzten, niemals die Vorrechte oder die Macht, welche mir bewilligt wurden, zu missbrauchen, noch zu versuchen, durch weltliche Prahlerei und Hervorhebung der eigenen geistigen und körperlichen Fähigkeiten andere herabzusetzen. Die Wahrheit soll immer meine Verehrung finden, und ich werde die meiden, die der Unwahrheit dienen. Ich will meine Hände von Diebstahl rein halten und niemals zornige oder unfreundliche Ge- fühlsausbrüche zulassen. Ich werde nie- mandem – Würdige ausgenommen – die Geheimlehren unserer Bruderschaft of- fenbaren, selbst auf die Gefahr hin, mein Leben zu verlieren. Ich werde niemals die Lehren in anderer Form weitergeben, als sie mir gegeben wurden; ich werde zu den Lehren weder Teile hinzufügen noch etwas von ihnen weglassen, son- dern werde immer bestrebt sein, sie in ihrer ursprünglichen Form und Reinheit zu erhalten. Ich will für die Bücher und Urkunden unseres Ordens, für den Ruf der Meister, Gesetzgeber und Älteren eintreten.“ Nachdem der Eingeweihte den vierten Grad erreicht und die vorausgegangenen Verpflichtungen erfüllt hatte, durfte er an der gemeinsamen Tafel, dem erhabenen und symbolischen Tagesmahl teilnehmen, bei dem Meditation und Kontemplation sowie Diskussionen über die Probleme der Tätig- keit einen Teil der Zeit in Anspruch nahmen. Es ist interessant, dass alle Speisen der Es- sener gemäß den in den alten Dokumenten angegebenen Regeln und Bestimmungen EINBLICK

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