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AMORC Magazin 04|2015

49 LESEN, HÖREN, SEHEN – FÜHLEN Warum gleich zwei Rezensionen auf einmal? Weil die beiden Bücher sich ergänzen und „In- terEssen“ auch, zumindest zum Teil, die hef- tigen Reaktionen auf „China Study“ erklärt. Worum geht es? Prof. Colin Campbell war Professor für Biochemie an der amerikani- schen Cornell University und mehr als vierzig Jahre an der Spitze der Ernährungsforschung tätig. Er leitete die umfassendste epidemiolo- gische Studie über Ernährung, Lebensweise und Krankheit, deren Ergebnisse in der sog. „China Study" zusammengefasst wurden. Campbell plädiert für eine pflanzenbasier- te, wenig verarbeitete Kost aus regionalen Lebensmitteln und ausreichend Bewegung. Das Buch "China Study" wird nun mit einer erstaunlichen Reflexhaftigkeit in bestimmten Kreisen zur Bibel für eine gesunde, sprich vegane Ernährung erklärt, völlig unabhängig von den darin tatsächlich getroffenen Aussagen. Das mit den Reflexen gilt aber auch für die Gegner, deren Kritiken meist eher als politische Statements im Interesse bestimmter Organisationen zu verste- hen sind. Es gibt zahlreiche unseriöse Versuche, die Arbeit von Campbell zu diskreditieren, wo- hingegen es an seriöser und wissenschaftlich ernst zu nehmender Kritik mangelt. Neben den gesundheitlichen Aspekten in Bezug auf unsere Ernährung gewährt „China Study“ und insbeson- dere „InterEssen“ Einblicke in die Schattenseiten und Verflechtungen von wissenschaftlicher Forschung, Lebensmittel-Wirtschaft und Politik. Vielleicht daher auch die teils heftige und sachlich kaum mehr nachzuvollziehende Kritik, die aufzeigt, welche Widerstände die Vernunft gegenüber finanziellen Interessen zu überwinden hat. Die Probleme fangen aber bereits beim Titel des Buches „China Study“ an. Es bietet weit mehr als lediglich die Ergebnisse der sog. China Study, auch wenn es sich um eine mehr als außergewöhnliche Studie handelt. Deren Ergeb- nisse wurden durch viele hundert Studien anderer Wissenschaftler aus der ganzen Welt zusätzlich abgesichert und zeigen, dass sich die Vorteile einer pflanzenbasierten Ernährung nicht nur auf Prävention beziehen, sondern ebenfalls auf die Behandlung. Die Aussagen in China Study sind wissenschaftlich bestens belegt, auch wenn selbstverständlich noch andere Faktoren eine Rolle spielen, wie Gene, Lärm, Stress, Schlafman- gel oder Tabakmissbrauch. Der für die deutsche Ausgabe gewählte Untertitel ist auch mehr als unglücklich gewählt. ”Die wissenschaftliche Begründung für eine vegane Ernährungsweise“ heißt es im Deutschen, im englischen Original hingegen: „Überraschende Rückschlüsse für Ernährung, Körpergewichtsverlust und langfristige Gesundheit“. Colins Empfehlungen können zwar zu einer veganen Lebensweise führen, allerdings ist das eine persönliche Entscheidung, die meist weniger gesundheitlich als vielmehr ethisch begründet wird. Eine vegane Lebensweise ist per se nicht gesundheitsfördernd; eine Ernährung mit Weißmehl, raffiniertem Zucker und reichlich Alkohol ist zwar vegan, aber noch nicht gesund. Was sind nun die Aussagen von Campbell im Hinblick auf unsere Ernährung und Gesundheit? Es gibt eindeutige Zusammenhänge zwischen tiereiweißreicher Ernährung und der Entstehung von chronischen Erkrankungen. Unser Ernäh- rungsverhalten beeinflusst unsere Gesundheit, aber auch die Entstehung von Krankheiten wie Krebs, Herzerkrankungen, Diabetes, Adipositas und Autoimmunerkrankungen. Faktoren wie negative Umwelteinflüsse und genetische Ver- anlagung sind zwar verantwortlich für Krebs, diese müssen aber aktiviert und gefördert werden. Und hier spielt unsere Ernährung eine entscheidende Rolle. Eine vernünftige Art der Ernährung erhöht die Chancen auf ein gesundes und langes Leben weit mehr, als bisher angenommen. Campbell wendet sich gegen einen wissenschaft- lichen Reduktionismus. Was ist damit gemeint? Ein Apfel enthält tausende Antioxidantien, von denen uns einige wenige vertraut sind, z.B. Vita- min C. Es ist jedoch der ganze Apfel, der unserer Gesundheit förderlich ist, nicht nur das Vitamin. Es sind eben nicht die einzelnen Substanzen, die uns gesund erhalten, sondern es ist das Zu- sammenspiel tausender Faktoren und unzähliger Stoffwechselreaktionen. Die Geschichte mit dem Apfel steht exemplarisch für unser gesamtes Denken, nicht nur im Hinblick auf Ernährung, Medizin und Gesundheit. Der Reduktionismus herrscht überall, auch in Wirtschaft und Politik. Wir konzentrieren uns auf Einzelaspekte und verlieren das entscheidende Zusammenwirken des Ganzen aus dem Auge. Campbell zeigt auf, in welche fatale Situation uns reduktionistisches Denken in nahezu allen Lebensbereichen gebracht hat. In den beiden Büchern geht es also nicht lediglich um die China Study, sondern um ein ganzes Netzwerk an Befunden. Die Ergebnisse auch der besten Studie sind allein nicht verlässlich, sondern nur im Zusammenhang mit biologisch plausiblen, multifaktoriellen Ursachenmodellen und anderen Studien. Es ist die Kombination verschiedener Forschungsfelder, die so überzeugend ist. Dieses Ganze ist aussagekräftiger als seine Einzelteile. Verlag Systemische Medizin, 2014 ISBN 978-3-86401-034-7 316 Seiten | 29,80 Euro Verlag Systemische Medizin, 2011 ISBN 978-3-86401-001-9 423 Seiten | 29,80 Euro China Study – Die wissenschaftliche Begründung für eine vegane Ernährungsweise T. Colin Campbell & Thomas M. Campbell Inter Essen – Ernährungswissen- schaft zwischen Gesundheit und Ökonomie T. Colin Campbell

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